Thema der heutigen Philosophieklausur: „Kickstarter: Fluch oder Segen?“
Wenn’s um Kickstarter (oder Spieleschmiede) und darüber publizierte Spiele geht scheiden sich die Geister. Die einen sind begeistert über die zusätzliche Kreativität, die durch dieses Finanzierungskonzept freigesetzt wird. Die anderen monieren mangelnden redaktionellen Schliff und tendenziell unterdurchschnittliche Qualitätskontrolle. Ich persönlich habe nur wenige Kickstarter Spiele im Schrank, von deinen eines (Alien Frontiers) ein echter Knaller ist, ein anderes (Wrong Chemistry) eher so la-la. Heute haben wir mit Evolution (s.u.) nach einiger Zeit mal wieder ein Spiel auf dem Tisch, das durch die Kickstarter-Mühle gegangen ist.
Evolution ist ein Spiel, das eine charmante Entwicklungsgeschichten hinter sich hat: Unbekanntes Autorenteam, erst als Print and Play veröffentlicht, dann per Kickstarter gelauncht und nun von renommierten Verlagen aufgegriffen. Man sieht dem Spiel seinen Hintergrund schnell an: Vielen per Kickstarter publizierten Spielen ist gemein, dass sie ein starkes Thema haben, denn allein mit ausgefeilten Mechanismen lockt man im Crowdfunding keinen hinter dem Ofen hervor. Evolution ist so ein Spiel mit mitreißendem Thema: wir entwickeln Arten, statten sie mit Genen aus und lassen sie im Überlebenskampf um Nahrung miteinander in Wettbewerb treten. Das versteht man sofort und das zieht einen sofort in das Spiel hinein. Das Spiel hat zudem einen signifikanten Konfrontationscharakter (meine Fleischfresser vertilgen deine Pflanzenfresser); ein Element, was in Spielen von der Stange oft nur zögerlich eingesetzt wird. Wie gut Evolution getestet wurde, werden Nachfolgespiele zeigen, der Autor selbst äußert sich dazu recht selbstbewusst. Derzeit läuft bei Kickstarter die Kampagne für die zweite Auflage des Spiels samt „Flight“ Expansion.
Demgegenüber steht mit Da Luigi eine zweite Neuheit, die (wie’s aussieht) eher den konventionellen Weg gegangen ist. Etablierter Autor, etablierter Verlag. Dass es deswegen besser gespieltestet und redaktionell geschliffen wurde darf man bezweifeln, denn wie uns berichtet wird, ist das Spiel mit der ihm beiliegenden Originalregel faktisch nicht spielbar und wurde erst durch einen Regelpatch in eine halbwegs nutzbare Form gebracht. Das mag Zufall oder Druckfehler sein, zeigt aber, dass die bloße Anwesenheit einer Spielredaktion noch lange keine ordentliche Qualität garantiert. Und auch vom Spielthema und Spielspaß zieht Da Luigi in diesem (ungerechten?) Vergleich den Kürzeren.
Mein Kurzfazit: Kickstarter ist ein Segen, weil es uns neue, interessante Spiele von unbekannten Autoren beschert. Mutige finanzieren die Alpha-Versionen mit. Clevere warten, bis sich der Hype gelegt hat, prüfen die Reaktionen auf das fertige Spiel und schlagen dann zu. Bis lang sind die meisten wirklich guten Kickstarter Spiele früher oder später auch regulär auf den Markt gekommen.
Teilnehmer: Stefan, Tom, Philippe, Jerry
Gespielt wird bei: Philippe
1. Da Luigi von Rüdiger Dorn, erschienen bei KOSMOS
Kurzfazit:
Ok, ich hab verloren und das deutlich. Daher bin ich verbittert und sage: Spiele, die die Welt nicht braucht. Aber wahrscheinlich wär das Urteil auch andersrum nicht viel besser ausgefallen. Wir nehmen bunte Würfel aus der Mitte und legen sie auf Karten in unserer Auslage. Pardon, nein: wir betreiben eine Pizzeria und bereiten Gerichte zu (die Würfel) und servieren sie unseren Gästen (den Karten). Ist eine Karte voll (der Gast satt), gibt’s Punkte. Wird sie nicht rechtzeitig voll (der Gast hungert), wandert die Karte aus unserem Lokal heraus und hinterlässt einen Minuspunkt in Form einer Zitrone. Die Entscheidungsmöglichkeiten sind gering (Würfel nehmen oder neue Karten verteilen), der Horizont dieser Entscheidungen bestenfalls kurzfristig. Als verbitterter alter Mann sage ich: öde, reizlos und hatten wir schon. Aber der Abend ist ja noch jung und bessere Spiele warten schon am Spieltischrand.
Gewinner: Tom
2. Evolution von Dominic Crapuchettes,Dmitry Knorre und Sergey Machin, erschienen bei Schmidt Spiele
Fazit:
Wir entwickeln Tiere und lassen sie gegeneinander antreten. Unsere Tiere sind etwas schmucklose, aber spielerisch sehr funktionelle Tableaus, die jeweils eine einzelne Art repräsentieren. Kartengesteuert können sich die Tiere vermehren, größer werden und sich mit allerlei nützlichen Genen ausstatten. Am Ende der Runde müssen alle Tiere aus einer gemeinsamen Nahrungsquelle fressen. Wer nicht genug bekommt, muss seine Population wieder reduzieren oder stirbt schlimmstenfalls ganz aus. Reizvoll ist, dass wir nicht nur harmlos Pflanzen verspeisen können, sondern zum Fleischfresser mutieren können, um die Tiere der Mitspieler zu vertilgen (Frage an Stefan: darf ein Fleischfresser aus taktischen Gründen auch Tiere aus der eigenen Auslage fressen? Könnte doch eine interessante Variante sein, um meine eigenen Fleischfresser satt zu halten und könnnte sich lohnen, wenn der verspeiste Pflanzenfresser sehr groß ist …) Klasse sind die vielen, aber nicht zu vielen verschiedenen Gene, mit denen ich meine Tiere aufmotzen kann: ich fresse mehr, ich fresse früher, ich fresse Fleisch, ich schütze mich, ich jage im Rudel usw. usf. Das erlaubt interessante Kombos und macht das Spiel durch die Fleischfresser/Pflanzenfresser Thematik sehr interaktiv. Sehr schön! Darf nochmal gespielt werden (und kommt auf meine 2015er Kaufliste).
Gewinner: Jerry
3. Roll for the Galaxy von Wei-Hwa Huang und Thomas Lehmann, erschienen bei Rio Grande Games
Fazit:
Race for the Galaxy ist toll. Roll for the Galaxy ist mindestens genauso toll und macht zudem noch mehr Lärm. Fällt bei mir schon jetzt in die Kategorie „Teuerste Spieleneuanschaffung 2015 die sich so richtig geloht hat.
Gewinner: Jerry
Ein Gedanke zu “Da Luigi, Evolution, Roll for the Galaxy”