Automania, Cool am Pool

Die Brettspielsucht des Autors dieses Blogs hat viele Wurzeln. Eine ist das legendäre Spiel “Car Wars”, ein Frühwerk von Altmeister Steve Jackson, bei dem es darum geht, mit aufgemotzten Karren über einen Stadtspielplan zu brettern und sich mit MGs und Raketenwerfern gegenseitig die Sitze unterm A***h wegzuknallen. Ein heiteres Vergnügen aus kannenweise willkürlichen Würfelentscheidungen, unterlegt von einem unwartbarem Moloch an Regeln. Oh, süße Jugend!

30 Jahre später. Auf dem Tisch liegt ein Spiel mit dem Namen “Automania”. Kurz regt sich ob des reißerischen Titels die Hoffnung auf ein ähnlich testosterongeladenes Vergnügen wie beim 80er-Jahre Klassiker. Aber nein – es ist nur ein kultivierter Worker-Placment-Euro. Gut, dass in den letzten drei Dekaden nicht nur die Haarfarbe, sondern auch der Spielgeschmack gereift ist.


Automania von K.Minde, K.A.Østby , Aporta 2016

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Wir bauen Autos, die wir in die EU und die USA exportieren. Während der US-Markt primär Geld bringt, überhäufen uns die snobistischen Europäer mit Siegpunkten. So oder so gilt es, möglichst schicke Fahrzeuge zu bauen, denn auf den Zielmärkten werden die Autos in der Reihenfolge ihrer Attraktivität verkauft: Hoch bewertetet Wagen gehen zuerst über den Tisch und bringen lukrative Erlöse, Rostlauben für kleinen Ertrag zuletzt.

Links und rechts die Zielmärkte mit den zugehörigen Schiffen.
Links und rechts die Zielmärkte mit den zugehörigen Schiffen.

Zur Herstellung besitzt jeder Spieler eine kleine Fabrik mit drei Produktionsbändern für Kompakt-, Mittelklasse- und Sportwagen. Auf die Felder der Produktionsbänder legen wir Ausstattungselemente wie Felgen, Lenkräder oder Airbags. Wird ein Auto produziert, läuft es das Band entlang und sammelt Stylepunkte für jedes Feld, über das es kommt, wobei die Summe dieser Stylepunkte die Attraktivität unsere Wagens bestimmt. Welche Ausstattungselemente gerade hip sind, ändert sich Runde für Runde und hängt vom Zielmarkt (Europa/USA) ab.

Blaue Fabrik. Rechts oben startet das Produktionsband für Sportwagen.
Blaue Fabrik. Rechts oben das Produktionsband für Sportwagen.

Fertige Autos werden auf Schiffe verladen, die sich so nach und nach mit Exportware füllen. Am Ende der Runde werden die Autos von den Schiffen genommen und erlösen Geld und/oder Siegpunkte.

Kern des Spiels ist – mal wieder – ein Worker-Placement-Mechanismus. Auf dem zentralen Brett liegen pro Runde 16 Plättchen, die wir in unsere Fabriken übernehmen. Um ein Plättchen zu nehmen, stellen wir – ähnlich wie bei Quadropolis – einen Worker ein eine Reihe oder Spalte daneben. Dies triggert zwei Aktionen: erstens können wir ein Plättchen aus besagter Reihe/Spalte nehmen und in unsere Fabrik einbauen; zweitens dürfen wir (zumeist) einen der drei Autotypen bauen. Das kostet Geld, so dass wir nebenbei auch noch ständig auf unsere Kasse achten müssen.

Die zentrale Auslage an Fabrikplättchen
Die zentrale Auslage an Fabrikplättchen: weiße Ausstattungsteile, gelbe Tuningteile, grüne Manager.

Drei wesentliche Typen von Fabrikplättchen gibt es: Ausstattungsteile kommen auf die Bänder und verbessern alle Autotypen, die über das entsprechende Band gehen. Ähnliches gilt für Tuningteile, die wir aber außerhalb der Fabrik platzieren dürfen. Manager schließlich gehen in einen kleinen Bürokomplex und verleihen uns zusätzliche Kapazitäten von Geld, Arbeitern, Style oder Produktionsumfang.  Als zusätzlichen Motivationsansporn gibt es Aufgabenkarten, mit denen wir Zusatzpunkt abgreifen können. „Baue einen Kleinwagen mit Spoiler und mindestens 10 Stylepunkten“ könnte da z.B. stehen.

Aufgabenkarten
Aufgabenkarten

Pfiffig: Arbeiter können von bereits besetzten Feldern verdrängt werden, indem mal mehr Arbeiter hineinstellt. Das Schöne dabei: der verdrängte Spieler bekommt seine Jungs zurück, die er frisch und ausgeruht erneut verwenden darf.

Der Ablauf ist also griffig: Worker einsetzen, Plättchen nehmen & einbauen, Wagen produzieren und verschiffen, nächster Spieler. Das ist zügig spielbar und lässt keine großen Wartezeiten aufkommen. Hat man alle Arbeiter verbraucht, passt man und legt fest, an welche Spielposition man in der nächsten Runde starten möchte. Vier Runden spielen wir insgesamt, was bei uns nach ca. 75 unterhaltsamen Minuten geschafft ist

Automania ist – nach kurzer Orientierungsphase – ein recht klares und übersichtliches Spiel. Alle relevanten Informationen sind offen, sprich man kann sehen, welche Märkte welche Ausstattungen erfordern und wie sich diese Anforderungen in der nächsten Runde ändern werden. Wir können unsere Fabriken also vorausschauend ausstatten, um auch in künftigen Runden gut aufgestellt zu sein. So bauen alle ihre Fabriken auf, welche aber trotzdem recht unterschiedlich ausfallen. Denn erstens sind die verschiedenen Fabrikplättchen nur begrenzt verfügbar und zweitens schielt jeder auf seine Aufgabenkarten, die oft Spezialisierungen erfordern. In unserer Proberunde z.B. spezialisiert sich Philippe auf hochwertige Sportwagen, während Jerry über Manager eher in die Breite geht. Stefan kämpft mit ständigem Geldmangel und hinkt so geraume Zeit hinterher.

Siegreiche Fabrik am Spielende
Siegreiche Fabrik am Spielende

Alles zusammen ergibt ein flüssige Spielerlebnis der Kategorie „fortgeschritten aber nicht zu kompliziert“. Mir persönlich gefällt am besten die gelungene Integration von Mechanismus und Thema. Zugegeben: das Nehmen der Fabrikplättchen ist reichlich abstrakt, aber die Fabriken mit Produktionsbändern und Managern auszustatten und dann die Autos über die Produktionsbänder zu führen ist stimmig und macht Spaß. Ebenso reizvoll ist der strategische Teil: man sieht stets 1-2 Runden vorher, welche Autoteile bald punkteträchtig werden und kann den eigenen Fabrikausbau darauf ausrichten. Muss man aber nicht, denn als Alternative kann man auch auf Wagen mit zeitloser Ausstattung setzen, die dann solide Stylepunkte im mittleren Bereich punkten.

Auch der Konkurrenzmechanismus gefällt: direkte Konfrontation a  la Car Wars gibt es nicht, stattdessen zählen Kundenakzeptanz und rechtzeitige Verfügbarkeit (Time-To-Market, wie die Vertriebler sagen). Auch das ist schlüssig und passt gut zum Thema Automobilbau.

Fazit: Ein schönes Worker-Placement- und Produktionsspiel der Kategorie Kennerspiel mit passendem Thema. Ausgezeichneter Ersteindruck, der definitiv Lust auf weitere Partien macht. Kommt auf die Kauf-Beobachtungs-Liste.


Cool am Pool von Hartwig Jakubik, Piatnik 2016

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Egal ob Schwimmbad oder Malle: im Auslegen von Handtüchern in der Nähe von Wasseransammlungen sind wir Deutschen ganz groß. Gleiches scheint für unsere österreichischen Nachbarn zu gelten, denn mit „Cool am Pool“ von Piatnik haben wir einen Absacker, der sich genau dieses Themas annimmt.

6 Liegen reserviert sich jeder Spieler, die wir bis zum Ende des Spiel punktträchtig mit (eigenen) Badegästen belegen wollen. Dabei nutzen wir Farbwürfel, die nach dem altbekannten „Würfeln-rauslegen-würfeln-rauslegen“ geschwungen werden. Augen gleicher Farben erlauben es uns, dabei, uns auf dem entsprechend farbig markierten Strandabschnitt breit zu machen.  Dabei können wir sowohl eigene Handtücher belegen als auch fremde Reservierungen angreifen.

Respektable, aber hoffnungslos überforderte Aufsichtsperson ist dabei ein breitschultriger Bademeister, der getrieben durch ebenjene Würfel das Brett umrunde und zumindest an den Stellen die er momentan überblicken kann, für Ruhe sorgt (sprich man kann dort keine Handtücher besetzen).

Urlaubserinnerungen an Mykonos: Ralf König lässt grüßen
Urlaubserinnerungen an Mykonos: Ralf König lässt grüßen

Das ist vom Kern her ein Zock- und Glücksspiel. Manipulationsmöglichkeiten der Würfelergebnisse gibt es – abgesehen von gelegentlichen Neuwürfen – nicht, so dass wir i.W. auf ein glückliches Händchen angewiesen sind. Das ist einfach und gefällig, weckt aber nicht den Wunsch nach sofortiger Wiederholung.

Fazit: Simpler, problemloser aber insgesamt zu reizloser Absacker.  Schön bunt, wie man es von Piatnik kennt und schätzt.

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