Oben und Unten, Oh my Goods

Erzählende Spiele sind der Megatrend 2015/2016. Mit TIME Stories und Pandemic Legacy hat die Jury die beiden prominentesten Vertreter dieses Genres für das Kennerspiel des Jahres nominiert, in Essen 2016 werden wir mit Seafall das erste originäre Legacy-Spiel sehen. In all diesen Spielen ist der Erzählaspekt dominant und mit hohem Aufwand umgesetzt. Dass es auch leichtgewichtiger geht, zeigt Ryan Laukat mit “Oben und Unten”.

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Vor uns haben wir zunächst ein eher klassisches Erkundungs- und Sammelspiel. Wir sind Chefs heimatvertriebener Clans, die sich in unwirtlicher Gegend eine neue Bleibe aufbauen müssen. Dazu errichten wir Hütten, die uns in Form von Karten als Schlaf- oder Arbeitsstätten dienen. Dummerweise ist Baugrund aber rar, so dass wir gezwungen sind, einige unsere Unterkünfte unter Tage zu errichten.

Unser Team. Unten Sammelstellen für gesammelte Schätze
Unser Team. Unten Sammelstellen für gesammelte Schätze

Jeder Spieler hat eine Auslage, auf der unsere Leute agieren und an die wir die Hüttenkarten ober- und unterirdisch anlegen. Hütten sind Siegpunkte wert oder generieren Geld oder Rohstoffe, die ihrerseits in Siegpunkte umgemünzt werden können. Motor des Spiels sind unsere Clanmitglieder, mit denen wir Hütten errichten, Rohstoffe abbauen oder neue Clanmitglieder anwerben. Dabei kosten die meisten Aktionen Geld, das wie immer knapp ist.

Bei den Hütten gibt es oberirdische Häuser und unterirdische Gewölbe. Erstere sind einfach: Karte bezahlen, nehmen, hinlegen, freuen. Schwieriger, aber interessanter sind die Kellerbauten, denn um die zu errichten, muss man sich zunächst im unterirdische Höhlensystem einen Bauplatz schaffen. Und hier kommt besagtes Erzählelement ins Spiel: denn im Untergrund erwarten uns Abenteuer, die im “Buch der Begegnungen” in Textform festgehalten sind. Wenn wir in die Höhle hinabsteigen, wird eine von über 200 verschiedenen Begegnungen ausgelost und vorgelesen.

“Ihr kommt zu einem unterirdischen Fluss, in dem ihr etwas glitzern seht. Wollt ihr (A) eine Würfelprobe ablegen, um das Objekt im Fluss zu bergen oder (B) geradeaus weitergehen“

So könnte es dort stehen. Welche Folgen (A) und (B) haben, weiß der aktive Spieler allerdings nicht, also müssen wir uns auf unser Gefühl verlassen. Je nach Entscheidung und Würfelresultat gibts Erträge in Form von Geld, Rohstoffen, Ruhm oder gar neuen Clanmitgliedern. Dabei sind die Ereignisse durchaus abwechslungsreich und oft ist nicht offensichtlich, welche Handlungsoption die lukrativere ist.

An dieser Stelle bricht “Oben und Unten” das klassische Eurogenre auf und greift eindeutig Elemente aus Fantasy-Rollenspielen auf. Am unterhaltsamsten werden die Begegnungen dabei, wenn die Spieler erzählerisch darauf einsteigen und die Ereignisse mit viel Getue und Theatralik abhandeln. Das liegt nicht jedem, steigert aber den Spaßfaktor beträchtlich. Dem agricolaliebendem Berufsoptimierer fällt dabei allerdings auf, dass die Begegnungen ein signifikantes Zufallselement bilden, deren Auswirkungen teilweise deutlich streuen.

Rundenzähle, neue Teammitglieder, Ruhmesleiste
Rundenzähler, neue Teammitglieder, Ruhmesleiste

In Summe ergibt sich dann aber ein sehr reizvolles Spielgefühl. Routiniertes Karten- und Ressourcenmanagement, bei dem ab und zu genau hingeschaut werden muss, wechselt sich ab mit aktionsgeladenen Zufallsereignissen. Das bietet uns in den knapp 80 Minuten Spielzeit gute Unterhaltung und weckt – zumindest von meiner Seite – die Lust auf weitere Runden. Wie gut das auf Dauer trägt, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden, dann natürlich hat man irgendwann alle Begegnungen gesehen. Wobei: Über 200 Begegnungen gibt es und ca. 15 davon sieht man in einem Vierpersonenspiel – da ist vorerst eine Menge Platz für neue Partien.

Fazit: Oben und Unten ist ein sauber designtes Sammel- und Erkundungsspiel, das klassische Euromechanismen auf geschickte Weise mit Erzählelementen verknüpft, ohne dabei umständlich oder konstruiert zu wirken. Von meiner Seite: Daumen hoch! Kann wieder auf den Tisch kommen.

Eckdaten: Oben und Unten von Ryan Laukat, Schwerkraft 2016
Dabei waren: Stefan, Hubert, Philippe, Jerry


22:00. Stefan muss heute früher nach Hause, was den zurückbleibenden Mittwochsspielern Gelegenheit gibt, “etwas eigenes” auf den Tisch zu legen. “Oh my Goods” hat Philippe auf Empfehlung der Coesfeldveteranen angeschafft: ein kleines, aber knackiges Spiel, bei dem wir versuchen, möglichst effiziente Produktionsketten aufzubauen.

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Multifunktionalen Karten liegen vor uns, die einerseits als Produktionsgebäude auf den Tisch gebaut werden oder andererseits als Rohstoffe dienen. Jedes Gebäude muss wie üblich mit Geld bezahlt werden und veredelt danach Eingangsprodukte zu Ausgangsprodukten (etwa: “Korn zu Mehl” oder “Mehl zu Brot”). Die Eingangsprodukte kommen dabei entweder aus eigenem Vorrat oder von einem gemeinsamen Markt in der Mitte. Interessant ist, dass die Produktion eines Gebäudes in zwei Stufen abläuft: zunächst muss das Gebäude recht teuer aktiviert werden, wodurch es 1 oder 2 Waren produziert. Anschließend können dann aber weitere Waren signifikant billiger erzeugt werden, ein Effekt der im Spiel als “Kettenproduktion” bezeichnet wird,

Karten die auf Produktionsgebäuden liegen entsprechen produizierten Waren
Karten die auf Produktionsgebäuden liegen entsprechen produizierten Waren

Der zentrale Spielrhytmus ist: Karten nachziehen, Rohstoffe im Markt auslegen, Produktionsgebäude wählen, weitere Rohstoffe auslegen, produzieren, neue Gebäude bauen. Dabei versuchen wir, zueinander passende Produktionsgebäude zu errichten, um möglichst gut von den Ketteneffekten zu profitieren. Schlappe 3 Geld bringt uns ein Kuhhaut, 6 Geld wenn wir sie zu Leder gerben und 8, wenn daraus Schuhe werden.

Hat ein Spieler das achte Gebäude gebaut, endet das Spiel und wir kassieren Punkte für gebaute Gebäude und für unsere Waren. Und hier kommt der eigentliche Clou des Spiels zum Tragen, denn vor der Wertung wird noch eine besondere Endrunde gespielt, in der wir alle unsere Produktionsketten ein letztes Mal ohne jede Vorbedingung anwerfen dürfen. Und da kann es dann schon mal zu lawinenartigen Profiten kommen, wenn Waren über mehrere Stufen verarbeitet und in ihrem Wert vervielfacht werden. Es lohnt sich also, schon während des Spiels auf diese große Endrunde hinzuarbeiten in der man locker 30-50% aller Punkte abgreifen kann. Zu viel Optimierung ist aber auch nicht gut, weil man sonst von Mitspielern abgefangen wird, die das Spiel durch viele billige Bauaktionen schnell zu machen.

Fazit: Schöner “Engine-Builder” (wie heißt so was auf Deutsch?) mit mittlerer Spieldauer. Erfordert ein paar Partien, um ein Gefühl für die verschiedenen Produktionsketten zu bekommen. Wird ebenfalls noch öfter drankommen.

Eckdaten: Oh my Goods von Alexander Pfister, Lookout Games 2015
Dabei waren: Hubert, Philippe, Jerry

3 Gedanken zu “Oben und Unten, Oh my Goods

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