Rob Daviau hat mit Pandemic Legacy ein wegweisendes Kampagnenspiel geschaffen, das auch bei uns hervorragend angekommen ist und sofort den Wunsch nach weiterem Spielen dieser Art ausgelöst hat. Bis „Pandemic Legacy – Season 2“ wird zwar noch einige Zeit vergehen, aber noch dieses Jahr legt Rob Daviau mit „SeaFall“ ein ganz neues, eigenständiges Legacy Spiel nach, das erstmals zur GenCon in den USA vorgestellt wird und dann im Herbst (vielleicht schon zu Essen) von den Heidelbergern auf Deutsch kommen wird.
Ausführliche Informationen über SeaFall sind im deutschsprachigen Raum noch spärlich gesät, also haben wir uns die Mühe gemacht und die bereits vorliegenden englischen Regeln filetiert, um einen ersten, detaillierteren Überblick zu SeaFall geben zu können. Dieser ist – im Vergleich zu sonstigen Beiträgen hier – etwas länger geworden, weil ich deutschsprachigen Spielern eine Gelegenheit geben möchte, die Gesamtstruktur des Spiels zu erfassen. Alle Bilder in dieser Erstanalyse sind der englischen Regel entnommen. Weitere Fotos finden sich im Bericht des SpieleJokers.
Wie schon P:L ist SeaFall ein Legacy-Spiel, d.h. man spielt eine fortlaufende Kampagne, in der frühe Spiele permanente Auswirkungen auf spätere Partien haben. Während P:L noch ein kooperatives Spiel war, geht es bei SeaFall eindeutig gegeneinander. Im Kern ist es ein 4X-Spiel (Explore, Expand, Exploit, Exterminate), bei dem wir, ähnlich wie bei Eclipse, unbekannte Welten entdecken, erforschen und ausbeuten. Allerdings befinden wir uns hier nicht im Weltraum, sondern schwärmen in Tradition von Columbus und Magellan mit Schiffen aus, um unbekannte Gewässer zu erschließen.
Wir Spieler repräsentieren Provinzgouverneure, die miteinander um die Erschließung einer neuen Welt wetteifern. Unsere Provinzen liegen allesamt am oberen Ende des Spielplans und von dort senden wir unsere Schiffe aus, um noch unbekannte Ländereien zu finden und auszubeuten. Wir erkunden das Spielbrett (den Ozean) also nach und nach und füllen ihn so mit neuen Inseln, wobei wir pro Spiel immer nur einen Teil des Bretts neu entdecken. Mit den so entdeckten Inseln können wir interagieren, indem wir sie erkunden und/oder ausrauben. Das nachstehende Bild zeigt eine Startaufstellung, in der unsere Heimathäfen oben zu sehen sind und vier Inseln darunter. Zu jeder Insel gibt es seitlich liegend eine Spielkarte, die beschreibt, was wir auf der Insel finden können.

Jede Insel besteht aus mehreren Orten, die einzeln erkundet und ausgebeutet werden können. Hier können wir Handelswaren finden, Minen, Docks, Grabstätten oder andere, geheimnisvolle Orte, die noch im Dunkeln liegen.
Für das erfolgreiche Entdecken und Erforschen der Welt gibt es Ruhmespunkte, die man ganz unromantisch mit Siegpunkten gleichsetzen kann. Jede Partie von SeaFall wird bis zu einem festgelegten Ziel an Ruhm gespielt (11 im ersten Spiel). Wer diese Schwelle als erster erreicht, gewinnt die Partie. Und klar bei einem Legacy Spiel: der Ruhm wird über die gesamte Kampagne für eine Endwertung aufsummiert.

Aber nicht nur die weite Welt kann entdeckt werden, auch die Heimat können wir ausbauen. Wir können unsere Schiffe verbessern, in den Heimathäfen Gebäude errichten, machtvolle Berater einstellen oder sogar selbst neue Fähigkeiten erlangen. All diese Verbesserungen beeinflussen unsere Spielfähigkeiten: Wie schnell sind meine Schiffe? Welche Feuerkraft haben sie? Wie leicht fällt das Erforschen eines Ortes? Wie gut bin ich verteidigt?


Zentral bei jedem Legacy Spiel ist nun das erzählerische Element, das natürlich auch in SeaFall vorhanden ist und zwar in Form von Zielen und Ereignissen.
In jeder Partie gibt es zu erreichende Zwischenziele, sogenannte Meilensteine, die in Form von Karten vor uns liegen (siehe Bild). Erfüllte Meilensteine bringen uns Spielern zum einen Ruhm (SP) und sorgen zu anderen dafür, dass die Story der Kampagne voran schreitet, denn sie lösen Ereignisse aus und können neue Regeln und Elemente ins Spiel bringen.

Zentral für das Fortschreiten der Kampagne ist das „Captains Booke“ eine Art Geschichtenbuch, wie wir es ähnlich schon bei „Oben und unten“ gesehen haben. Dieses Buch enthält fast 500 Einträge, in denen die Ereignisse des Spiels aufgelistet sind. Einträge des Captains Booke werden vorgelesen und ausgewertet, wenn ein Spieler einen Meilenstein erreicht, wenn eine neue Insel entdeckt oder wenn neue Orte auf einer Insel erkundet werden. Welche Ereignisse hier auf uns warten, ist zu diesem Zeitpunkt natürlich noch unbekannt.
Wie sieht nun die Struktur des Spiels aus? Die Kampagne besteht aus ca. 15 Partien, die jeweils ca. 2h dauern sollen:
- Jedes Spiel wird über eine Folge von Jahren gespielt
- Ein Jahr besteht aus Winter (Vorbereitung) und 6x Sommer (Spielerzüge)
- In einem Sommerzug hat jeder Spieler 2 Aktionen
Für unsere Aktionen wählen wir in jedem Zug eine von vier Gilden, die uns unterschiedliche Aktionsmöglichkeiten vorgeben. Jede Gilde erlaubt es uns, mit unseren Schiffen zu segeln. Zusätzlich gibt es folgende Möglichkeiten:
- Die Händler erlauben es uns, zu handeln also Waren zu kaufen oder zu verkaufen und so Gold zu verdienen.
- Die Baumeister können Schiffe reparieren oder ausbauen oder Gebäude in der Heimat errichten.
- Die Entdecker erlauben uns, Orte auf Inseln zu erkunden oder neue Technologien zu erforschen.
- Die Söldner schließlich können Orte überfallen und ausrauben oder in der Heimat Steuern eintreiben.
Erkundungen und Kämpfe im Spiel werden dabei durch Würfelproben erledigt, die durch allerlei Modifikatoren verändert und von uns Spieler gegen Zahlung verschiedener Ressourcen erleichtert werden können.

Man sieht also die Struktur: Handel bringt Geld, Geld bringt Upgrades. Upgrades bringen Ruhm. Erkundungen und Überfälle bringen Ruhm und Ressourcen. Dabei können wir übrigens nicht nur die kleinen Inseln im Meer angreifen, sondern auch den werten Mitspielern kräftig auf die Mappe hauen, indem wir ihre Heimathäfen aufs Korn nehmen. Konflikt zwischen Spielern ist also Teil des Spiels.
Aber aufgepasst: Jede Art von unfreundlicher Aktion hat ihren Preis. SeaFall hat eine eigene Währung, mit der feindselige Aktionen bezahlt und vermerkt werden: Emnity (deutsch etwa „Feindseligkeit“). Pro Partie stehen jedem Spieler 8 Feindseligkeitsmarker zur Verfügung, mit denen aggressive Aktionen (primär Überfälle) bezahlt werden müssen. Überfalle ich Orte auf Inseln oder die Häfen der Mitspieler, dann muss ich Feindseligkeitsmarker abgeben, die auf den betroffenen Ort gelegt werden.
Das hat mehrerer Auswirkungen: zum einen begrenzt es die Randale, die ich pro Partie veranstalten kann, zum anderen verteuert es zukünftige Aktionen. Denn nicht nur die Mitspieler, auch die neutralen Inseln erinnern sich an meine Missetaten: liegen an einem Ort Feindseligkeitsmarker von mir, so verteuern sich künftige Aktionen an diesem Ort bis zu dem Punkt, dass manche Dinge gar nicht mehr möglich sind. Kenner der Materie ahnen es bereits: Feindseligkeit kann permanent werden. Aus Feindseligkeitsmarkern können Feindseligkeits-Sticker werden, die auf den Plan geklebt werden und mir auch in künftigen Partien das Leben schwer machen.
So ziehen wir also mit unseren Schiffe über das Meer, finden und erkunden Inseln, raffen Waren und Geld zusammen und kassieren für jede gelungene Aktion Ruhmespunkte. Irgendwann hat ein Spieler die geforderte Summe an Ruhm zusammen und gewinnt die Partie. Nun naht die große Abrechnung, in der die Legacy-Elemente des Spiels zum Tragen kommen:
- Der Sieger verbessert seine Provinz um eine Eigenschaft
- Alle behalten eine Beraterkarte
- Alle verbessern einen Berater
- Alle verbessern ein Schiff
- Feindseligkeit auf Inseln kann permanent werden
- Ruhm summiert sich auf
- Alle erkundeten Inseln bleiben liegen
Praktischerweise hat jeder Spieler ein kleines Schatzkästchen, in dem er die zusammengerafften, permanenten Upgrade aufbewahrt. Und auch sonst wird kräftig geklebt und geschrieben: wer eine Insel entdeckt, darf sie taufen, wer einen Berater einstellt, darf ihm einen Namen geben.

Um die langfristige Balance zu sichern, werden die Spieler vor jeder Partie gemäß ihres gesamt angehäuften Ruhms sortiert. Im Spiel gibt es dann Abzüge für führende Spieler und Erleichterungen für die hinterher hinkenden Genossen.
Dies alles fasst die im Regelheft sichtbare Struktur zusammen. Genau wie bei P:L gibt es aber in den Regeln freie Stellen, an denen Platz für Sticker mit neuen Regeln ist. Und ebenso gibt es verschlossene Kisten mit neuem Material, das erst im Laufe der Kampagne eingeführt wird.
Die Regel empfiehlt zwar, SeaFall mit gleichbleibender Spieleranzahl durchzuspielen, hält aber Mechanismen bereit, die es Spielern erlauben auszusetzen, ganz auszusteigen, oder neu dazu zu kommen.
Fazit: Keins. Naja, fast keins. Spätestens mit dem GenCon werden wir erste Rückmeldungen zum Spielwert von SeaFall bekommen. Idee und Struktur klingen aber auf jeden Fall sehr interessant, insbesondere das dicke Captains Booke mit hunderten von Ereignissen macht neugierig. Ich für meinen Teil werde dieses Spiel wohl ziemlich sicher kaufen, Bleibt nur noch zu hoffen, dass SeaFall zu Essen dann auch wirklich in den Regalen liegen wird.
SeaFall wird in Essen auch auf Deutsch erscheinen. Dabei sind dann natürlich viele Begriffe anders übersetzt als hier. Nur, dass sich niemand wundert. 😉
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Danke für die Bestätigung! Das sind wirklich gute Nachrichten. Bin schon sehr gespannt.
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