Villen des Wahnsinns (2nd Ed.)

Eigentlich wollte ich mich in diesem Blog kürzer fassen. Werde ich auch. Aber zu der Neuauflage von Villen des Wahnsinns gibt es viel Interessantes zu berichten. Also wird es diesmal doch länger. Wer nicht alles lesen mag, möge die Abschnitte überspringen, die weniger interessant erscheinen.

Die Vorgeschichte

Das Jahr 2011: Fantasy Flight Games veröffentlich Villen des Wahnsinns, ein kooperatives Horror-Survival Brettspiel, in dem sich tapfere Ermittler in verschiedenen Szenarien durch modrige Herrschaftshäuser kämpfen und dabei unaussprechlichen Monstern entgegentreten. Ein Spieler steuert dabei als Spielleiter die Schrecken des Hauses, die anderen halten kooperativ dagegen.

Starke Idee mit starker Optik, die in der Praxis aber bald etliche Schwächen zeigt. Der friemelige Spielaufbau dauert bis zu 45 Minuten, die Szenarien sind schlecht getestet und funktionieren teilweise überhaupt nicht. Nur das coole Thema (Lovecraft! Cthulhu!) hält treue Fans bei der Stange und lässt auf BGG Fix-Kits entstehen, die die schlimmsten Macken dieses Spiels beheben.

2016: Mit „Villen des Wahnsinns – zweite Ausgabe“ kommt der Neustart. Die Änderungen am Spiel könnten revolutionärer nicht sein, denn diesmal hat FFG wesentliche Teile von Aufbau und Handling in eine App verlagert, die die Rolle des Spielleiters übernimmt.

Das Grundprinzip

Wie schon sein Vorgänger, ist VdW2 ein thematisch dichtes Abenteuer-/Horror-Spiel, bei dem wir kooperativ szenariospezifische Aufgaben lösen müssen. Der Grundkonstrukt ist immer gleich: 2-5 Ermittler wagen sich ein aus modularen Spielplanteilen aufgebautes Haus, wo irgendeine gruselige Bedrohung lauert. Der Spielablauf wechselt zwischen der Ermittlerphase, in der wir Spieler agieren und der Mythosphase, in der uns das Spiel Monster und andere unaussprechliche Gefahren entgegen schleudert.

Die zentralen Ermittleraktionen sind:

  • Bewegen
  • Dinge oder Räume inspizieren
  • Monster angreifen
  • Ermittler- oder Itemspezifische Aktionen nutzen

In der Mythosphase erleben wir:

  • Negative Ereignisse, die uns piesacken
  • Bewegung und Angriffe der Monster

Begrenzender Faktor ist dabei die körperliche und geistige Gesundheit der Ermittler: diese liegen zu Beginn zwischen 5 und 9 und werden im Spiel fortlaufend reduziert. Dabei werden wir zuerst verletzt bzw. wahnsinnig und scheiden schlussendlich ganz aus. Wenn letzteres auch nur einem Ermittler geschieht, haben alle verloren. Daraus ergibt sich ein unmittelbarer Zeitdruck, der uns anhält, im Spiel möglichst gezielt zu agieren.

Neben der Gesundheit haben wir Ermittler 6 verschiedene Skills wie z.B. Stärke, Aufmerksamkeit oder Verhandlungsgeschick. Im Spiel werden für Kämpfe, Untersuchungen und anderen Interaktionen eine Menge Würfelproben gemacht, für die wir – je nach Skill – mal mehr, mal weniger Würfel nutzen dürfen.

Die App

Zentrale Aufgabe der App ist die Verwaltung des Spielplans und die Durchführung der Mythosphase. Anstatt das hier wortreich runterzuschreiben, will ich eine Ausnahme machen und euch den App-gesteuerten Aufbau des Spiels in einem kleinen 6-Minuten Video illustrieren:

Die App gibt uns also den Spielaufbau vor, den wir genau so auf dem Tisch nachvollziehen. Wenn wir nun im Spiel weitere Räume erkunden oder Orte näher untersuchen, wird uns die App fortlaufend die Ergebnisse mitteilen. Die Darstellung in der App und der Aufbau auf dem Tisch wachsen also parallel und sind im Spiel stets deckungsgleich.

Die App „kennt“ also den Spielplan und weiß, was zu erkunden ist. Immer wenn wir etwas erfolgreich erforscht haben, wird der entsprechende Marker vom Plan entfernt und ist dann in der App auch nicht mehr anklickbar.

Spielplan in der App
Spielplan in der App

Es gibt aber auch Dinge, die die App nicht weiß: sie weiß nicht, wo wir stehen, welche Gegenstände wir tragen und wie um unsere Gesundheit bestellt ist. Das verwalten wir vollständig selbst. Gleiches gilt für die Monster: Die App teilt uns zwar mit, wann und wo neue Monster auf dem Brett erscheinen, kümmert sich dann aber nicht mehr um deren Bewegung. Sie sagt uns nur Dinge wie „das Monster zieht 2 Felder zum nächsten Ermittler“ oder „das Monster greift den nächst stehenden Ermittler an“. Ob es dann z.B. zu einem Kampf kommt, müssen wir selbst feststellen.

Spielplan auf dem Tisch
Spielplan auf dem Tisch

Auch die Kämpfe sind halbautomatisch: wenn es zu einem Scharmützel kommt, sagt uns die App, wie dieser abzuhandeln ist, sprich welche Würfelprobe auszuführen ist und was sich danach ergibt. Die Proben selbst führen wir ganz old-school mit einem Würfelwurf durch und teilen der App dann mit, was dabei heraus gekommen ist.

Insgesamt kann man sagen, dass die App eine Art halber Spielleiter ist: sie enthüllt Spielplan und Ereignisse, bevölkert das Haus und bombardiert uns mit Ereignissen. Das Bewegen von Figuren und Monstern, das Durchführen von Proben und die Verwaltung unserer Gesundheit und Gegenstände machen wir selbst. Das klingt halbherzig, ist aber ein kluger Kunstgriff, um die Komplexität und Fehleranfälligkeit der App zu reduzieren.

Puzzles

Ein besonderes Feature der App sind Puzzles im Spiel. Puzzles sind eine Art von Mini-Game, die wir an bestimmten Stellen im Spiel lösen müssen, z.B. wenn wir einen mit einem Schloss gesicherten Schreibtisch öffnen wollen. Drei Arten von Spielen gibt es: Zahlenkombinationsrätsel nach dem MasterMind Prinzip, Schieberätsel nach dem Vorbild von RushHour und klassische Bilderrätsel. Für diese Rätsel stehen uns – je nach Skill unserer Ermittler – unterschiedlich viele Züge zur Verfügung, die wir direkt in der App ausführen.

Das Spielgefühl

Insbesondere wenn man ein Szenario zum ersten Mal spielt, ist die Atmosphäre wirklich enorm dicht. Während in der ersten Auflage von VdW der gesamte Spielplan schon bei Spielbeginn offen vor uns lag, tappen wir hier buchstäblich im Dunkeln. Erst nach und nach entdecken wir den gesamten Umfang des Szenarios und genauso entfalten sich die gruseligen Ereignisse im Spiel schrittweise. Monster erscheinen. Seltsame Gegenstände werden gefunden. Weitere Charaktere wie der Butler, Küchenpersonal oder die Tochter des Hausherren erscheinen auf dem Brett. Mit letzteren können wir im Spiel sprechen und so (durch die App) Hinweise erlangen, was genau zu tun ist.

Ein Kampf kündigt sich an
Ein Kampf kündigt sich an

Da Zeit knapp ist, sind wir fortlaufend angehalten, uns genau abzusprechen: Wer geht wo hin? Welches Objekt sollte als erstes untersucht werden? Ein Monster! Wer kann es am effizientesten bekämpfen?

Spielmechanisch ist das ganze dabei eher simpel: Ziehen, Erkunden, Kämpfen – das ist der Kern des Spiels wobei sehr viel über Würfelproben abgewickelt wird. VdW ist also kein ausrechenbares Optimierspiel sonder ein erzählendes Abenteuerspiel, das viel von den alten Fantasy-Rollenspielen hat.

Die Szenarien

VdW kommt mit 4 Standardszenarien daher, die in von der Spieldauer zwischen 90 Minuten und 5-6 Stunden liegen. Ein fünftes Szenario kann als „Downloadable Content“ für ca. 5€ erworben werden.  Besitzer der ersten Auflage erhalten ein weiteres Szenario und noch weitere gibt es, wenn man die Erweiterungen der zweiten Auflage besitzt. Welche Boxen man hat, teilt man der App mit und schaltet so die entsprechenden Szenarien frei, die dann auf den Inhalt der entsprechenden Boxen zurück greifen.

Wir Mittwochsspieler haben bis dato die ersten 4 Basiszenarien durchgespielt. Das Einführungsszenario dauert zwischen 90 und 120 Minuten und ist vergleichsweise leicht. Die anderen drei dauern mit 3-6 Stunden erheblich länger und sind deutlich schwerer. Zwei davon konnten wir jedenfalls nicht im ersten Versuch lösen.

Aaaatttacke!!!!
Aaaatttacke!!!!

Die Szenarien zu beschreiben ohne zu spoilern ist schwer daher nur so viel: sie sind sehr abwechslungsreich. Wir sind Jäger, Gejagte, Detektive, SWAT-Team, Schutztruppe. Mal wimmelt es von Monstern, mal müssen wir viel reden und interagieren. Das große 5-Stunden-Szenarion spielt dabei sogar an mehreren Orten, die wir nacheinander bereisen und so mehrere Pläne aufbauen.

Besonders bei den schwersten Szenarien ist es leicht, im ersten Versuch zu versagen. Das ist aber kein Problem sondern eher motivierend, denn im zweiten Durchlauf können wir dann – ähnlich wie bei TIME Stories, bereits erlangtes Wissen erneut anwenden. Zumindest etwas davon. Denn die App variiert den Aufbau der Szenarien von Spiel zu Spiel. Es wird zwar nicht alles auf Links gezogen, aber etliche Räume oder Gegenstände können im nächsten Durchlauf an anderer Stelle auftauchen.

Ein paar technische Details

Die App steht als echte „App“ für Tablets mit Apple iOS oder Android zur Verfügung oder als PC-Version per Steam Download. Für die ersten Partien haben wir die Tablet Version gewählt. Das funktioniert gut, erfordert aber immer wieder, dass das Tablet zwischen den Spielern herum gereicht wird. Zuletzt haben wir dann aber zur PC Version gegriffen und am Tisch einen vollen 23-Zoll Monitor aufgebaut. Das Spielerlebnis in dieser Form ist schlichtweg grandios, weil alle Spieler zu jedem Zeitpunkt perfekte Übersicht über das Geschehen haben

Full-HD Support
Full-HD Support

Das Fazit

Wir spielen gerne atmosphärische Spiele. Und wer solche Spiele mag, für den ist Villen des Wahnsinns ein Fest. Die App reduziert den Verwaltungsaufwand beträchtlich, führt ein exzellentes Element der Überraschung ein und ermöglicht es uns vor allem loszuspielen, ohne vorher zwei Dutzend Seiten Regeln lesen zu müssen. Bis dato haben wir 4 Szenarien je zwei Mal gespielt und dabei mehr als 20 Stunden Spielspaß gehabt. Das rechtfertigt aus meiner Sicht den hohen Preis allemal.  Für mich ist VdW ein Paradebeispiel, wie eine digitale App ein analoges Spielerlebnis ideal bereichern kann. Klare Kaufempfehlung!

 

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